Souveräner Punk: Nach 30 Jahren veröffentlichen Bierspieler ihr Album „Shut Down“

This entry was posted on 16.06.2010

Bierspieler - Shut DownBierspieler sind eine Band, die man angesichts ihres Bandnamens leicht überhören könnte. Was soll man da auch erwarten? Alkohol-seliger Deutschpunk. Dies oder Schlimmeres. Aber das ist alles Unsinn. Bierspieler haben sich ihren Namen 1980 wohl noch als trinkfeste Hamburger Jungs gegeben.

Die Gruppe kam damals nicht weit, die Band-Webseite listet gerade mal eine Handvoll Konzerte zwischen 1980 und 85 auf. Anschließend entstanden aus Bierspieler Noise Annoys, was älteren Lesern durch Touren mit Bad Religion oder den Dickies noch etwas sagen wird. Außerdem ist Noise Annoys der perfekte Name, um die Musik der Gruppe(n) zu umschreiben. Aber dazu kommen wir noch.

Nun jedenfalls feiert die Gruppe ihr 30. Jubiläum. Vor ein paar Jahren schon haben sich Bierspieler wiedergegründet, aber erst jetzt gibt es ein neues Album namens „Shut Down“. Und das ist unbedingt hörenswert.

Denn mit Oi, Deutschpunk oder sonstwas haben die Hamburger überhaupt nichts zu tun. Wie erwähnt, „Noise Annoys“ ist der Schlüssel zum Stil der Gruppe – so hieß einst ein toller Song der grandiosen Buzzcocks. Und an deren Musik lehnt sich auch der Sound auf „Shut Down“ an.

Das liegt schon an der Stimme von Sänger Arne Wagner, die ähnlich markant ist wie die von Pete Shelley. Es wird Punkfans geben, denen Wagner und Shelley eine Tonlage zu hoch sind – aber ihre Songs lassen sich so eindeutig erkennen.

Die Band spielt dazu Punkrock, der hamburgerisch-britisch klingt (die Verbindungen über die Nordsee sind ja traditionell gut), der aber auch Platz lässt für eigene Ideen. Da gibt es etwa gleich zu Anfang eine schöne, eingängige Loser-Hymne namens ‚Tooth‘, in der es um, nun, einen verlorenen Zahn geht. Der geht verloren, als der Sänger/Erzähler seine Ex-Freundin bei einer Show entdeckt und sich dann dummerweise mit einem Kanten von Typen anlegt. ‚I beg you / Give me back my tooth“, singt Wagner da.

Das Lied ist insofern exemplarisch, als ‚Tooth‘ einerseits hitträchtiger Melodypunk ist, hier andererseits aber auch ein Schifferklavier zum Einsatz kommt. Wie viele Alben hat man sonst im Schrank, auf dem ein Akkordeon zu hören ist?

Später spielt dann eine komplette Bläsersektion mit. Das könnte man abtun als obligaten Ska-Ausflug einer Punkrock-Band. Aber nein, hier wirkt das sehr organisch, sehr passend, sehr souverän. So wie „Shut Down“ überhaupt eine der souveränsten, besten Punkrock-Platten der letzte Monate ist.

Man hätte sich vielleicht gewünscht, dass den Jungs vor 30 Jahren ein besserer Name eingefallen wäre. Aber nach so vielen Jahren ist das am Ende auch egal.

Dieses Rezension ist erschienen auf Waste of Mind.

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