Expedition in 3-D: James Cameron beeindruckt mit „Avatar“, überrascht aber nicht

This entry was posted on 17.12.2009

Wir schreiben das Jahr 2154. Die Erde ist bereits zerstört, doch die Menschen haben daraus nichts gelernt. Weil sie noch immer dringend auf seltene Metalle angewiesen sind, beuten sie den Lebensraum eines anderen Volkes aus, der Na‘vi. Dafür nehmen sie sogar die lebensfeindliche Umgebung auf deren Heimatplaneten Pandora in Kauf.

Zwölf Jahre nach „Titanic“ begnügt sich Regisseur James Cameron nicht mehr damit, „nur“ ein versunkenes Schiff wieder aufleben zu lassen. Für „Avatar“ hat er gleich einen ganzen Planeten erfunden – mitsamt Landschaften, in denen Berge schweben können, einer fremden Tierwelt und einem Volk, für das er sogar eine eigene Sprache entwickeln ließ.

Weil Cameron dies noch dazu in 3-D zeigen wollte, dauerte es so lange, bis der Regisseur „Avatar“ verwirklichen konnte. Ein erstes Treatment für den Film hatte er bereits 1995 vorgelegt, bevor er überhaupt mit „Titanic“ angefangen hatte.

Das Ergebnis ist beeindruckend: Während etwa der „Herr der Ringe“ noch stark von realen Landschaftsbildern lebte, sind in „Avatar“ fast alle Umgebungen auf dem Computer entstanden.

Der Held des Films, Jake Sully (Sam Worthington), ist die passende Figur, um die Kinogänger in diese Welt einzuführen. Sully ist selbst ein Neuling auf Pandora; der querschnittsgelähmte Ex-Marine soll dort seinen verstorbenen Bruder ersetzen. Dieser war auf dem Planeten als Wissenschaftler tätig, der einen Avatar bediente – einer Art Spielfigur, mit der sich die Menschen außerhalb ihrer Basisstation bewegen können. Nun soll Sully in die Haut des Avatars schlüpfen.

Der Ex-Marine ist als Doppelagent tätig: Als Wissenschaftler soll er freundschaftliche Bande zu den feindseligen Na‘vi knüpfen. Als ehemaliger Soldat hat er den Geheimauftrag, das Volk auszuspionieren. Unter ihrem Lebensraum, einem riesigen Baum, wurde besonders viel des begehrten Metalls aufgespürt. Wenn die Na‘vi nicht freiwillig umziehen, wollen die Menschen sie dazu mit Waffengewalt zwingen.

Allerdings muss Sully gleich seine erste Nacht im Urwald alleine überstehen – ein quasi unmögliches Unterfangen, weil in der Dunkelheit gefährliche Tiere warten. Nur weil ihm das Na‘vi-Mädchen Neytiri (Zoe Saldana) hilft, überlebt er. Sie ist es auch, die ihn zu ihrem Volk bringt und später in dessen Rituale einführen soll.

Cameron lässt sich viel Zeit damit, diese zu erklären: Sie nutzen beispielsweise Flugsaurier, um sich fortzubewegen, und treten mit der Tierwelt über ihren Zopf in Kontakt – und zwar im wahrsten Wortsinne.

Die eigentliche Geschichte fällt im Vergleich zu dieser Einführung in die Welt Pandoras und das Leben der Na‘vi hingegen zurück. Vielleicht fürchtete Cameron, dass „Avatar“ überlang geworden wäre, hätte er sich eine komplizierte Geschichte ausgedacht – bereits jetzt kommt der Film auf zweieinhalb Stunden Länge.

Die Folge dieses Zögerns: Cameron beeindruckt den Zuschauer zwar visuell, inhaltlich kann er ihn aber nicht überraschen. „Avatar“ ist nicht mehr als eine Science-Fiction-Variante von „Der mit dem Wolf tanzt“, und regelmäßige Kinogänger ahnen bald, wie sich die Geschichte entwickelt. Selbstverständlich verliebt sich Neytiri in den Fremdling. Genauso logisch ist, dass sie sich später von ihm verraten fühlt. Jede weitere Wendung ist ebenso zwangsläufig.

Aber vielleicht ist es auch zu viel verlangt, wenn man von einem Blockbuster-Spezialisten wie James Cameron einen Film erwartet, der auch inhaltlichen Tiefgang liefert. Erfreuen wir uns deshalb eher an den Bildern: Technisch bahnbrechend ist „Avatar“ jedenfalls allemal.

Der Text ist am 17. Dezember im Oranienburger Generalanzeiger erschienen.

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