Tinnitus nicht unter zwei Tagen: Die Butthole Surfers in Berlin

This entry was posted on 22.04.2009

Man muss nicht jeden Menschen mögen – so auf persönlicher Ebene. Meistens ist das kein Problem, man hält sich einfach fern. Schwieriger wird es, wenn der Unsympath gute Musik macht. Und was die Butthole Surfers am Montag im gut gefüllten Berliner Kesselhaus ablieferten, war halt richtig gut.

Dabei gibt es gute Gründe, Frontmann Gibby Haynes und seine Bandmitglieder zu verabscheuen – und ihre Musik zu bewundern. So hielt sich über Jahre das Gerücht, Haynes habe dem immer schon leicht depressiven Singer-Songwriter Daniel Johnston einst einen LSD-Trip gegeben. Und dieser wiederum habe bei Johnston eine ausgewachsene Schizophrenie verursacht. In dem Film „The Devil and Daniel Johnston“ bestreitet Haynes das in einem denkwürdigen Interview (bei einer Zahnbehandlung!), aber es sagt sehr viel aus, dass ihm das überhaupt zugetraut wird. Was auch daran liegt, dass Konzerte der Butthole Surfers in den Achtzigern reine Drogentrips gewesen sein dürften.

Noch ein Beispiel für schlechte Manieren: Als die Gruppe in den Neunzigern eine Phase des kommerziellen Erfolges hatte und eine goldene Schallplatte einheimste, verklagte sie gleich ihr altes Label Touch And Go Records, um ihre Alben zurückzubekommen. Ausgerechnet eines der fairsten und Musiker freundlichsten Labels im Geschäft sollte eine Band betrogen haben. Welch Vorstellung!

Die Rechnung ging für die Band allerdings nicht auf: Die Butthole Surfers rutschten zurück in die Obskurität, die alten Alben sind seither kaum erhältlich.

Zugleich aber waren die Butthole Surfers immer schon musikalische Visionäre: Die Band aus Texas nahm die psychedelische Ideen der Sechziger und münzte sie in einen Albtraum um. Höchstens im Grunge fand sie Brüder im Geiste. Doch als der erfolgreich wurde, hatte der kreative Abstieg der Gruppe, der in seltsamen HipHop-Ausflügen endete, bereits begonnen.

Die aktuelle Tour aber steht für eine Rückkehr zu den Wurzeln. So spielen die Butthole Surfers in alter Besetzung, die neben dem zweiten Kernmitglied Paul Leary an der Gitarre und Schlagzeuger King Coffey mehrere weitere Musiker aus den Achtzigern umfasst.

Zudem gibt es auch eine Rückkehr zu den alten Sounds. Das heißt im Prinzip: Leary spielt ein Gitarrenriffs an, mit dem Heavy-Metal-Bands Stadien füllen könnten. Die Songs aber implodieren spätestens dann, wenn Haynes nach kurzer Zeit seinen Gesang (und später auch das Saxophon) durch ein Effektgerät jagt. Er zieht dabei seine Stimme in Regionen, die den Zuhörer ohne Ohrenschutz mit Tinnitus nicht unter zwei Tagen bestrafen.

Selbst ein Lied wie „Goofy’s Concern“ – bei dem die Butthole Surfers der Idee des perfekten Rocksongs am nächsten kommen – wird so zu einem schleppenden Noiserock-Monster. Rund 90 Minuten dauert dieser Trip, der auch ohne Drogen sehr effektiv wirkt.

Und wie ist Haynes an diesem Abend drauf? Er beschimpft zwischendurch die Zuschauer. Ein bisschen zumindest. Ganz anders Leary: „Wir haben so viel Spaß heute Abend“, ruft er am Ende. Siehste: Nett sein – kann ganz einfach sein.

Der Text ist am 22. April im Oranienburger Generalanzeiger erschienen.

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