Berlinale: „Golden Slumber“ – der Lee Harvey Oswald von Japan

This entry was posted on 15.02.2010

Aoyagi versteht erst nicht, was sein Freund Morita damit meint: Er solle zu einem japanischen Lee Harvey Oswald gemacht werden, zu einem Sündenbock, der den Staatschef umgebracht hat. „Lauf weg“, fleht er noch. Da ist hinter ihm schon eine Bombe explodiert und der Ministerpräsident tot. Wenig später ist Aoyagi auf der Flucht – vor der Polizei und den geheimnisvollen Kräften, die für das Attentat verantwortlich sind.

„Golden Slumber“ könnte ein Politthriller der Siebziger Jahre sein: Regisseur Yoshihiro Nakamura hat seinen Film nicht nur nach einem Beatles-Song von „Abbey Road“ (erschienen im Herbst 1969) benannt, seine Geschichte hat auch ein ähnliches Grundgerüst.

Denn sehr bald wird klar, dass mächtige Kräfte am Werke sind – nicht minder machtvoll als jene, die nach Ansicht von Verschwörungstheoretikern das Leben von John F. Kennedy auf dem Gewissen haben und den Mord dann Oswald in die Schuhe schoben. Aoyagi ist der perfekte „Täter“: Er hat einst einem Popstar das Leben gerettet, sein Gesicht ist in seiner Heimatstadt Sendai noch heute bekannt. Das macht eine Flucht umso schwieriger.

Zugleich ist die Tat perfekt geplant: Ermordet wird der Politiker durch eine Sprengladung, die an einem ferngesteuerten Hubschrauber angebracht ist. Schon kurz nach der Tat tauchen Videoaufnahmen auf, die scheinbar belegen, dass Aoyagi solch ein Modell gekauft hat und während des Attentats auch geflogen ist. Und nach dem Anschlag bedroht die Polizei Freunde des Verdächtigen – die Besuche kommen ein wenig zu früh, um nicht verdächtig zu sein.

Aber der Regisseur interessiert sich gar nicht so sehr für die politischen Hintergründe der Tat. Erst sehr spät deutet sich in diesem 140-minütigen Film an, wer bei der Ermordung eigentlich mitspielt. Stattdessen kümmert sich Nakamura um praktische Fragen. Wie kann sich der Verdächtige vor der Polizei verstecken?

Aoyagi braucht dafür die praktische Hilfe einiger neuer, leicht seltsamer Bekanntschaften. Ein junger und eigentlich recht sympathischer Serienmörder rettet den 30-jährigen Paketzusteller regelmäßig aus höchster Not; ein älterer Mann mit Verbindungen zur Unterwelt (in verschiedenen Hinsichten), der zwar beide Beine in Gips hat, aber ganz gut laufen kann, gibt praktische Tipps.

„Golden Slumber“ wird so zu einem skurrilen Film, der sich zwar allen Erwartungshaltungen widersetzt, aber gerade dadurch höchst unterhaltsam wird – mit einem unerwarteten Ende. Ein echtes „Highlight“ im diesjährigen Panorama.

Die Texte zur Berlinale erscheinen im Oranienburger Generalanzeiger.

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