Berlinale: „Bal“ von Semih Kaplanoglu – ein konsequent entschleunigter Film

This entry was posted on 16.02.2010

Was können Träume wirklich auslösen? Für den kleinen Yusuf haben sie etwas Traumatisches. Niemals, sagt sein Vater, solle er von ihnen erzählen. Dann verschwindet der Bienenzüchter Yakup. Kann sich Yusuf seinen Vater zurückträumen?

Der deutsch-türkische Wettbewerbsbeitrag „Bal“ von Semih Kaplanoglu übt eine eigentümliche Faszination aus – die bewaldeten Hügel in der Provinz sind genauso geheimnisvoll wie beruhigend. Sie wirken sogar so beruhigend, dass sich einige Kollegen in der Pressevorführung dem vermissten Schlaf ergeben. Zumal in „Bal“ nicht viel gesprochen wird – und dann beschließt der Sechsjährige auch noch, das Reden ganz einzustellen.

Yusuf ist ein Außenseiter in seiner Klasse – er spielt mit niemandem, hat keine Freunde. Das einzige Geräusch, das von ihm ausgeht, ist das ständige Bimmeln einer kleinen Glocke. Die haben die Eltern angebracht wie bei einem kleinen Kätzchen, wohl damit Yusuf nicht verloren geht. Als er plötzlich beim Vorlesen zu stottern beginnt, ist sein Status zementiert. Dabei kann er eigentlich lesen, seinem Vater beweist er das täglich.

Yakup hat derweil andere Sorgen: Die Bienen sind aus der Region verschwunden, die Honigernte fällt in diesem Herbst sehr spärlich aus. Was tun? Der Epileptiker Yakup, der nicht alleine losziehen sollte, entschließt sich, andernorts nach Honig zu suchen, wo die anderen Dorfbewohner nicht hingehen. Und genau von diesem Versuch, das Einkommen der Familie zu sichern, kehrt der Vater nicht zurück.

Im überdrehten Alltag des Festivals mit seinen zahlreichen Filmen ist „Bal“ ein Wagnis, ein Statement. Ganz konsequent wird hier entschleunigt. Nicht die Hektik der modernen Städte bestimt die Geschwindigkeit der Bilder. Wer Honig sammeln will, kann sich schließlich keine schnellen Bewegungen erlauben. Ein Fest zu Ehren des Propheten Mohammed ist die einzige Abwechslung im Alltag. Das ist berührend schön, zumal „Bal“ mit dem kleinen Bora Altas einen wunderbaren Hauptdarsteller hat.

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