„Bal“ von Semih Kaplanoðlu gewinnt bei Berlinale: „Honig“ zieht den Bären an

This entry was posted on 21.02.2010

Die türkisch-deutsche Koproduktion „Bal“ hat am Sonnabend den Goldenen Bären der diesjährigen Berlinale bekommen. Damit ehrte die Jury um Werner Herzog einen der Favoriten der Jubiläumsfestspiele.

Die Prognose, wer diesmal der große Gewinner werden würde, war schwieriger als sonst: Die Tipps der Journalisten gingen weit auseinander. Allerdings hat in den Vorjahren fast nie der Film gewonnen, der auch bei den Kritikern am besten angekommen war.

Immerhin gehörte „Bal“ von Semih Kaplanoðlu zu einer Reihe von Favoriten, die vor der Preisverleihung am Samstagabend genannt worden waren. Die Geschichte um den kleinen Yusuf, der in der Schule ein Außenseiter ist und nur im Wald bei seinem Vater aufblüht, rührte viele Zuschauer an.

Es hätten aber genauso gut auch einige andere Wettbewerbsbeiträge sein können, die den Goldenen Bären verdient gehabt hätten. Etwa das rumänische Werk „Wenn ich pfeifen möchte, pfeife ich“, der den Großen Preis der Jury sowie den Alfred-Bauer-Preis für einen besonders innovativen Film gewann.

Auch der deutsche Film „Shahada“ oder „Shekarchi“ aus dem Iran wären durchaus preiswürdig gewesen. Beide gingen am Ende leer aus. Warum auch immer: Die Jury vergab lieber mehrere Preise an einzelne Filme als eine breitere Zah von Beiträgen zu ehren.

So bekam auch der russische Film „How I Ended This Summer“ von Alexei Popogrebsky zwei Auszeichnungen: Die beiden Schauspieler Grigori Dobrygin und Sergei Puskepalis teilen sich den Silbernen Bären für den besten Darsteller. Kameramann Pavel Kostomarov bekam den Preis für eine herausragende künstlerische Leistung. Das im übrigen völlig zurecht: Der Film hat zwar einige Schwächen beim Drehbuch, die Bilder von einer Halbinsel in der russischen Arktis sind dafür atemberaubend.

Am unverständlichsten ist wohl der Regiepreis für Roman Polanski. „The Ghostwriter“ wurde zwar von den Kritikern hochgelobt, der Thriller ist ausgesprochen spannend. Aber der Film ist nicht Polanskis bestes Werk, es handelt sich eher um guten Mainstream.
Vielleicht sah die Jury den Bären als Preis für das Gesamtwerk an, oder sie wollte sich solidarisch zeigen mit dem Regisseur, der derzeit in der Schweiz in Hausarrest sitzt und der aufgrund einer rund 30 Jahren alten Anklage wegen Vergewaltigung in die USA ausgeliefert werden soll.

Weit verständlicher sind die beiden weiteren Preise, die die Jury zu vergeben hatte: Shinobu Terajima beeindruckte in „Caterpillar“ als Ehefrau eines im Krieg grausig entstellten Soldaten. Regisseur Koji Wakamatsu mutete ihr bei den Dreharbeiten einiges zu. „Apart Together“ von Wang Quan’an bekam den Silbernen Bären für das beste Drehbuch.

Die deutschsprachigen Filme gingen bei dieser Berlinale leer aus. Auch das überrascht, nachdem in den vergangenen Jahren fast immer heimische Produktionen unter den Gewinnern war. Aber offenbar konnten weder „Der Räuber“ noch „Shahada“ die Jury überzeugen. „Jud Süß“ war ohnehin der einzige Reinfall im Wettbewerb.

Immerhin hat „Bal“ deutsche Produzenten und wurde auch von Arte beziehungsweise dem ZDF gefördert. „The Ghostwriter“ wiederum wurde in Babelsberg produziert. Polanski drehte die Strandszenen, die an der amerikanischen Ostküste spielen, auf Sylt und auf Usedom. Ein bisschen Bär sind also auch die Deutschen.
Freuen konnte sich auch Berlinale-Chef Dieter Kosslick: Die rund 400 Filme zogen mehr als 300 000 Zuschauer an – das ist Rekord. Auch im Jubiläumsjahr waren die Filmfestspiele also wieder ein Publikumsfestival.

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