Schlimme Aussichten? Für kleine Plattenfirmen war 2009 ein schlechtes Jahr

This entry was posted on 31.01.2010

Neulich bei Other Music in New York: Nach längerer Zeit kaufe ich mal wieder ein paar Platten – eine Live-CD von Wire, das neueste Album von Blitzen Trapper und die extrem tolle Jazz-Compilation ‚Freedom Rhythm & Sound“.

Immer wieder habe mich mich in den vergangenen Monaten in Plattenläden nach neuen Indie-Plattenveröffentlichungen umgeschaut – gekauft habe ich wenig. 2009, so sieht es derzeit aus, war wohl das Jahr des großen, des endgültigen Umbruchs für mich. Aber wer weiß das schon?

Ich könnte jetzt den großen, das ganze Jahrzehnt umspannenden Rückblick beginnen, aber ich fürchte, dass ich mich wiederholen würde. Kürzlich habe ich eine Kolumne über das Thema, warum ich kaum noch Konzerte veranstalte, geschrieben. Da ging es auch darum, wie ich Anfang des Jahrtausends die Bands veranstalten konnte, deren Alben gerade auf Dauerrotation waren. Spätestens 2009 hat sich das erledigt. Und das liegt nicht nur daran, dass diese Bands jetzt andernorts stattfinden, sondern eben auch daran, dass es solche begeisternden Gruppen nur noch selten gibt.

Klagt hier einer dieser älteren Herrschaften darüber, dass er den Kontakt zu neuerer Musik verliert? Mitnichten. Kürzlich hat das amerikanische Spin-Magazin eine Compilation online mit jenen Bands online gestellt, die nach Meinung der Redakteure (oder der Werbepartner) in diesem Jahr eine größere Rolle spielen würden. Darunter sind zum Beispiel Cold Cave, die Synthie-Pop-Nachfolgeband von Give Up The Ghost / American Nightmare, oder The xx, von denen man zuletzt schön häufiger hören konnte.

Ehrlich gesagt hat mich fast keine der Bands begeistert – die Metalband Revocation sind die große Ausnahme. Wenn das wirklich die aufstrebenden Indiegruppen des Jahres 2010 sind, kann das Genre auch ohne mich stattfinden. Kein Problem.

Viel schlimmer ist, dass die Labels aufgeben, auf die wir uns seit langem verlassen können. Dass Dischord nur noch dann und wann Platten veröffentlichen, daran haben wir uns gewöhnt. Aber dass Touch And Go Records Geschichte sein dürfte? Das Label hat in den vergangenen Jahren beständig tolle Platten veröffentlicht, was keine Selbstverständlichkeit für ein Label ist, das bald 30 Jahre alt geworden wäre. Das Festival zum silbernen Jubiläum 2006 war großartig.

2009 aber hat das Label aufgehört, neue Platten zu veröffentlichen. Mi Ami war ein letztes Ausrufezeichen, danach die Rereleases von Jesus Lizard. Und nun ist es vorbei.

Schon klar: Die bekannteren Gruppen wie Black Heart Procession, Ted Leo oder Three Mile Pilot (deren Reunion-Album bei T’N’G erscheinen sollte) sind bereits andernorts untergekommen. Aber irgendwie bezweifle ich es, dass ich künftig weiterhin so einfach neuere Gruppen kennen lernen werde, wie es durch Touch And Go der Fall war.

Bei Southern ist die Situation nicht ganz so traurig, aber nicht auch nicht wirklich gut. Die Zahl der Labels, die Southern in Europa vertritt, ist jedenfalls arg zusammengestrichen worden. Dann und wann kommt aber noch eine spannende Platte, für gewöhnlich von Constellation oder natürlich Exile On Mainstream. Das ist allerdings ein erheblicher Unterschied zu dem, was hier früher mal angekommen ist.

Das ist jetzt natürlich eine Luxus-Klage. Früher kamen die Platten frei Haus, ich musste sie nicht mal suchen. Heute müsste ich wieder anfangen, neue Bands zu entdecken, im Internet zu recherchieren, womöglich sogar ein Platten auf Verdacht zu kaufen. Das tu ich sogar: Vom „Freedom Rhythm & Sound“-Sampler kannte ich nur ein paar Namen wie Archie Shepp, Jamie Saft hat meine Aufmerksamkeit durch seine Verbindung zu John Zorn erregt (schade, dass der Mann nie auf meine Interview-Anfrage geantwortet hat).

Und kürzlich bin ich mal zu einem Konzert von Terence Blanchard gegangen, nachdem mich ein paar Tracks im Internet beeindruckt haben. Ein nicht ganz billiges Risiko, das ich da eingegangen bin, aber es lohnte sich. Aber ein wenig bin ich skeptisch, ob nochmal im Plattenladen anfange, mich durch Punk, Indie und Hardcore-Veröffentlichungen zu hören. 2009 war wirklich ein Umbruch.

Die Kolumne ist in der Trust Ausgabe Nr. 140 erschienen

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