Eine iranische Farce – Erinnerungen an eine Reise in das Land anlässlich der Wahlen

This entry was posted on 20.06.2009

Drei Szenen aus dem Iran: In Maschhad berichtet ein Mann, dass er ungerne nach Hause aufs Dorf fahren möchte. Zu rückständig seien ihm seine Verwandten. „Ich möchte nicht, dass sich meine Tochter verschleiern muss“. In Isfahan weiter im Süden treibt ein junges Paar Versteckspiel vor Kommilitonen und Lehrern – würden diese von ihrer (verbotenen!) Liebe erfahren, wären Exmatrikulation und vermutlich Schlimmeres sicher.

In Schiraz, (wo einst Alexander der Große einen historischen Sieg feierte), erzählt ein Student von seiner Niederlage: Er hatte an einer illegalen Demonstration teilgenommen und war verhaftet worden. Der junge Mann konnte aussuchen: Sollte er zu seinen Überzeugungen stehen? Das hätte auch in diesem Fall der Rauswurf aus der Uni und eine Haftstrafe bedeutet. Deswegen leugnete der Iraner seinen Protest und behauptete, er sei zufällig an der Demo vorbei gelaufen. Er kam ungeschoren – aber auch frustriert – davon.

Dennoch: Von einer neuerlichen Revolution hält der Student nichts. „Wir hatten schon mal eine. Und man sieht, was dabei herausgekommen ist“, begründet er. Viel lieber würde er sich wünschen, wenn sich der Staat von innen heraus entwickeln würde.

Ob der Student heute noch so denkt? Die drei Szenen sind einige Jahre alt; der spätere Präsident Mahmud Ahmadinedschad war noch nicht einmal als drohende Gefahr am Horizont zu erkennen.

Bis vorige Woche Freitag war die iranische Farce zumindest von außen betrachtet relativ subtil. Zur Präsidentschaftswahl traten mehrere Kandidaten an; es gab sogar ein im Fernsehen übertragenes Streitgespräch zwischen Ahmadinedschad und seinem aussichtsreichsten Herausforderer Hossein Mussawi. Aber selbstverständlich sind sämtliche Bewerber um das Amt handverlesen, Kandidaten, die das System zu stark verändern wollen, würden gar nicht erst zugelassen.

Am Wahltag aber wurde dann offenbar genauso plump gelogen wie das in den schlimmsten Diktaturen dieser Erde geschieht – in Simbabwe musste Robert Mugabe ebenfalls die Zahlen zurecht biegen, weil rohe Gewalt nicht ausreicht.

Allerdings wird wahrscheinlich nie herauskommen, wie sehr die Ergebnisse im Iran verfälscht wurden. Der Theologe Mehrdi Karrubi zum Beispiel, der nach offiziellen Zahlen ganze 0,9 Prozent der Stimmen bekommen haben soll, erzählt, dass ihn tatsächlich 13 Millionen Iraner gewählt hätten. Damit wäre er nur von Mussawi geschlagen worden, der auf 19 Millionen Stimmen gekommen sei. Für den offiziellen Sieger Ahmadinedschad hätten sich sogar nur fünf Millionen Wähler ausgesprochen. Diese Zahlen mögen sogar stimmen: Angeblich hat Karrubi Kontakte ins Innenministerium, in dem die Fälschungen so dreist vorgenommen worden sind.

Andererseits ist der Hinweis berechtigt, dass Ahmadinedschad Sympathisanten im einfachen Volk hat, mit denen wegen der Sprachbarriere kein Westeuropäer redet. Auch unsere Begegnungen mit kritischen Stimmen in Maschhad, Isfahan und Schiraz waren nur möglich, weil die Iraner Englisch sprachen. Der größte Teil der Bevölkerung hat andere Einstellungen als die Intellektuellen. Gut möglich also, dass der Wahlbetrug weniger dreist war als wir annehmen.

Seine hässliche Fratze zeigt das System aber so richtig erst seit dem Wahltag: Da wurden Demonstranten verprügelt und erschossen. Gestern verkündete der geistliche Führer (und eigentliche Machthaber) Ajatollah Chamenei, dass die Proteste ein Ende haben müsste. Das dürfte als Warnung zu verstehen sein – ab sofort reagiert der Staat wohl noch brutaler auf Demonstrationen.

Noch etwas erzählte der Student aus Schiraz: Er würde am liebsten im Iran bleiben, hier sein Glück finden und nicht emigrieren wie so viele andere Unzufriedene. Aber das Regime lässt ihm kaum eine andere Wahl. Eine frustrierende Erkenntnis.

Die Kolumne „Diese Woche“ erscheint jeden Samstag im Oranienburger Generalanzeiger.

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