Tribeca: „Klitschko“ von Sebastian Dehnhardt ist kein K.O.-Sieg

This entry was posted on 25.04.2011

Vitali und Wladimir Kitschko. Foto: image.net

Vitali und Wladimir Kitschko. Foto: image.net

Die Klitschko-Brüder sind mit Sicherheit nicht die größten Boxer aller Zeiten – sie gehören aber zu den (körperlich) größten und dominieren auch deswegen die Schwergewichtsszene seit einigen Jahren. Vitali und Wladimir Klitschko sind dabei ein Phänomen: zwei Ukrainer, die in Deutschland so beliebt sind wie keine anderen Boxer. Die Dokumentation „Klitschko“ von Sebastian Dehnhardt über die Brüder feierte am Sonntag beim Tribeca Film Festival ihre Weltpremiere.

Knapp zwei Jahre, bis zum vergangenen März, hat Dehnhardt Vladimir und Witali beobachtet; er traf sich mit ehemaligen Trainern, Boxerkollegen wie Chris Byrd und Lennox Lewis, vor allem aber mit den Eltern des Bruderpaares. Insbesondere die Mutter spielt, wie sich zeigt, eine entscheidende Rolle im Leben der Klitschkos.

Die Bilder, die Dehnhardt („Das Wunder von Dresden“) und sein Kameramann Johannes Imdahl eingefangen haben, beeindrucken: Das Team reiste extra ins Hinterland der ehemaligen Sowjetunion oder nach Tschernobyl, um das Leben der Brüder zu dokumentieren. „Klitschko“ ist für die große Leinwand bestimmt, nicht nur für RTL oder das ZDF, für das der Regisseur ansonsten regelmäßig arbeitet.

Interessant ist „Klitschko“ vor allem, wenn es um die Jugendjahre der Brüder geht. Der Vater war in der sowjetischen Armee, die Familie zog ständig um, und vor allem Vitali musste sich immer wieder aufs Neue gegen hänselnde Mitschüler durchsetzen und dabei auf seinen kleinen Bruder aufpassen. Diesen Beschützer-Instinkt merkt man ihm noch heute an, wie sich in dem Film zeigt.

Wladimir wiederum spricht besseres Deutsch, er wirkt reflektierter als sein Bruder, der in seiner Jugend auch schon mal zu derben Späßen neigte. Als Vitali einmal auf einer Militärbasis eine alte Mine findet, legt er sie unters Bett der Eltern – von solchen Scherzen reden wir.

Als sich in Tschernobyl der Super-GAU ereignet, ist der Vater in Kiew stationiert und muss täglich Einsätze fliegen. Die Kinder erleben hautnah mit, wie die Soldaten gegen das Unglück ankämpfen (vermutlich spielen sie sogar in radioaktiv verseuchten Pfützen, erzählt Wladimir). Der Vater erkrankt Jahrzehnte später an Krebs – eine Spätfolge Tschernobyls.

Amüsant auch, wie Vitali erstmals zu einem Kampf nach Florida reist. Das ehemalige Feindesland erweist sich als ausgesprochen reizvoll. „Ich hätte einen Eimer Cola trinken können“, erzählt Vitali, der damals gerade einmal 90 Kilogramm wog und nicht annähernd die heutige Statur hatte. Auch die Eltern, die damals noch überzeugt waren, dass ihrem Sohn nur eine nette Ecke der ansonsten heruntergekommenen USA gezeigt wurde, überwintern heute gerne in Florida.

Dehnhardts Film ist schwächer, wenn es um die eigentliche Boxer-Karriere geht. Vieles – wie die Verletzungen, die die beiden zu Beginn immer wieder zurückwarfen – ist bekannt. Auch dass die Mutter (die sich nie einen Kampf anguckt) ihren Jungs das Versprechen abgenommen hat, niemals gegeneinander zu kämpfen, wurde schon oft geschrieben. Kritische Fragen bleiben aus – etwa, warum die Klitschkos nicht gegen stärkere Gegner kämpfen.

Immerhin aber kann der Film hier mit einigen beindruckenden Zeitlupen punkten, die zeigen, wie brutal und gefährlich Schwergewichtsboxen ist. Einmal zeigt Dehnhardt in parallelen Einstellungen, wie Wladimir im Ring boxt und Vitali ihn von der Seite antreibt. Solche Einstellen hätte man sich häufiger gewünscht.

Andere Themen schneidet der Regisseur nur kurz oder gar nicht an: Das politische Engagement (Vitali bewarb sich mehrfach als Bürgermeister in Kiew) wird schnell abgehandelt, Dehnhardt erwähnt zudem nur kurz, dass der ältere Bruder 2010 das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. Und die Klitschkos als Geschäftsleute und Werbeträger kommen gar nicht vor. Der Film hätte durch diese Aspekte gewonnen.

„Klitschko“ ist angesichts der beeindruckenden Bilder ein Punktsieg (vor allem aus der Sicht von Boxfans), einen überzeugenden K.O.-Treffer landet Dehnhardt nicht. Aber wann haben die Klitschkos das letzte Mal wirklich beeindruckend im Ring gesiegt?

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