Berlinale: „The Killer Inside Me“ von Michael Winterbottom verstört
Womöglich hatte der Journalist in der Pressekonferenz Recht: Die Berlinale ist einfach nicht das richtige Festival für einen Filme wie „The Killer Inside Me“ von Michael Winterbottom. Beim Fantasy Film Festival im Sommer wären die Reaktionen sicherlich anders ausgefallen. So haben die Filmfestspiele zum Abschluss immerhin noch ihre Kontroverse.
„The Killer Inside Me“ nach einem Roman von Jim Thompson ist ein brutaler Film mit schockierenden Gewaltdarstellungen. Darf man das zeigen? Nach der Pressevorführung gab es viele Buh-Rufe – geht man danach, lag Winterbottom falsch mit seiner Adaption. Aber ohne die Gewalt wäre der Film nicht verständlich. Und anders als viele Mainstream-Projekte ist die Gewalt nicht anziehend. Sie trifft den Zuschauer frontal in den Bauch, verstört – und stößt ab.
Lou Ford (Casey Affleck in seiner ersten Rolle seit drei Jahren) ist der titelgebende Mörder. Das wissen seine Mitmenschen nicht: Für sie ist er vor allem der Sohn eines angesehenen Arztes, ein Polizist und ein Gentleman mit einer sehr netten Freundin.
Doch in dem Kaff in West Texas gibt es einige Abgründe – David Lynch lässt grüßen. Lous Vater misshandelte einst seine Frau, sein Bruder vergewaltigte ein kleines Mädchen. Der nette Hilfssheriff war umgeben von Gewalt. Und setzt sie, falls notwendig, auch selbst ein. Die Prostituierte Joyce Lakeland (Jessica Alba) bringt er nicht „einfach nur“ um, er zerschlägt ihr das komplette Gesicht. Auch seine Freundin Amy Stanton (Kate Hudson) befindet sich in einer bedrohlichen Situation. Ohne es zu ahnen: Sie möchte mit Lou ja eigentlich am liebsten weglaufen.
Wenn Lou sinnlos auf Mitmenschen einschlägt, dann hat das eine Intensität, wie man sie zuletzt bei Bret Easton Ellis und seinem „American Psycho“ gelesen hat. Jim Thompsons Roman ist allerdings wesentlich älter. Das Buch erschien 1952 und muss damals eine ungleich größere Wucht gehabt haben. Es ist verständlich, dass Winterbottom auf diese Wucht nicht verzichten wollte. In „The Killer Inside Me“ hat die Gewalt darüber hinaus ihren Sinn. Wer Brutalität auf der Leinwand kritisieren möchte, nimmt den falschen Film aufs Korn.
Trotzdem gehört „The Killer Inside“ nicht zu den stärksten Filmen des englischen Regisseurs, der 2003 mit „In This World“ den Goldenen Bären gewann und ihn 2006 für „The Road To Guantanamo“ hätte bekommen müssen. Nur sehr langsam erschließt sich, warum Lou Ford zu solch einem brutalen Mörder wird. Seine Vorgeschichte wird nur angedeutet, und da sind die ersten Gewalttaten bereits geschehen. Ford bleibt an vielen Stellen eindimensional – und das trotz der brillanten Darstellung Afflecks. Überhaupt hat Winterbottom wunderbare Darsteller zusammengebracht. Bis in die Nebenrollen ist der Film toll besetzt; Ned Beatty ist mit dabei, Elias Koteas ebenfalls sowie Bill Pullman.
Von denen war während der Pressekonferenz allerdings niemand dabei. Über die Gründe sprachen Winterbottom und sein Produzent Andrew Eaton nicht. Das sei eine Schande und sehr bedauerlich für das Festival, sagten sie nur. Zumindest einem Gerücht trat Eaton entschieden entgegen: Eine amerikanische Zeitung hatte berichtet, dass Jessica Alba so entsetzt gewesen sei, dass sie die Vorführung des Films beim Sundance-Festival verlassen hätte. Das stimmt so nicht, betonte Eaton: Die Darstellerin habe die Aufführung gar nicht besucht. Sie musste ein Flugzeug zurück nach Los Angeles bekommen.