Berlinale: „Caterpillar“ von Koji Wakamatsu wird für Diskussionen sorgen

This entry was posted on 15.02.2010

Das hat auf dieser Berlinale bisher noch gefehlt – ein kontroverses Politdrama, das für Diskussionen sorgen wird. Pünktlich zur Halbzeit des Wettbewerbs ist das Werk da: Das Weltkriegsdrama „Caterpillar“ von Koji Wakamatsu.

Wer sind die wahren Opfer des Krieges? Die Frauen. Und wer sind die Täter? In „Caterpillar“ ist es Leutnant Kurokawa. Der Soldat hat scheinbar ein besonders hohes Opfer für sein Vaterland gebracht. Er kehrt Anfang 1945 grausig entstellt vom Kampf zurück. Ihm fehlen Arme und Beine, sein Gesicht ist halb verbrannt, er kann nicht mehr hören und kaum sprechen.

Kurokawa steht allerdings nicht im Mittelpunkt des Films – Wakamatsu konzentriert sich stattdessen auf dessen Frau Shigeko, als deren patriotische Pflicht es gilt, ihren Mann zu pflegen. Nach und nach zeigt sich allerdings, dass der hochdekorierte „Kriegsgott“ vor seiner Verletzung gar nicht so heldenhaft lebte. Früher verlangte er täglichen Sex von seiner Frau und schlug sie dann, als sie ihm keinen Sohn gebahr.

Die Verstümmelung rührt ebenfalls nicht daher, dass Kurokawa sein Vaterland oder irgendeine politische Doktrin verteidigte. Er hatte schlichtweg eine Chinesin in einem brennenden Haus vergewaltigt, als er unter einem Holzpfeiler begraben wurde.

Seine Frau, die von all dem nichts ahnt, geht durch ein Wechselbad der Gefühle: Erst stimmt sie widerwillig regelmäßigem Sex mit dem Torso (der Appetit auf Sex und Essen haben nicht gelitten) zu; später wird sie immer mehr die bestimmende Person. Sie sagt, wann sie Sex will, wie viel er Essen bekommt und wann sich der Kriegsheld im Dorf zu zeigen hat. Aber auch Shigeko bricht angesichts der Situation langsam zusammen.

Darf man sagen, dass Kurokawa seine Strafe angesichts seiner Taten verdient hat? Vermutlich, auch wenn der Regisseur, der einst Pornos drehte und sich dann politisch radikalisierte, in dokumentarischen Schüben noch ganz andere Täter nennt. Es sind die Machthaber, die noch dann vom Sieg redeten, als die Amerikaner schon im Land einmarschiert waren. Es sind die Atombomben, die das Ende bringen.

Das ist ein schrecklicher Satz, der klingt, als würde der Regisseur den Einsatz dieser Waffe rechtfertigen. Das tut er keineswegs. Allerdings sind hier zwei Zahlen signifikant: Während nur einige hundert japanische Kriegsverbrecher mit dem Tode bestraft wurden, starben Millionen Unschuldige – durch die Japaner, aber auch durch die Atombomben. „Caterpillar“ ist etwas formelhaft geworden. Aber auf die Debatten, die der Spielfilm auslöst, darf man sich freuen.

Die Texte zur Berlinale erscheinen im Oranienburger Generalanzeiger.

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