Berlinale: „Shekarchi“ – „Zeit des Zorns“ – von Rafi Pitts ist großes Politkino

This entry was posted on 16.02.2010

Dass die Farbe Grün in Rafi Pitts Spielfilm „Shekarchi“ dominiert, mag noch Zufall sein. Dass im Radio Zweifel an den Wahlen im Iran geäußert werden, ist es sicherlich nicht. Und so verwundert es kaum, dass vor der Aufführung des iranischen Wettbewerbsbeitrags erhöhte Sicherheitsbedingungen im Berlinale-Kino herrschen.

In „Shekarchi“ (übersetzt aus dem Persischen heißt das Jäger, der deutsche Titel ist „Zeit des Zorns“) passiert nicht viel. Aber was geschieht, geht unter die Haut.

Ali (Pitts selbst) ist gerade aus dem Gefängnis entlassen. Er ist mittlerweile Vater, das scheint ihm Stabilität zu geben. Doch am Rande einer Auseinandersetzung zwischen der Staatsmacht und Demonstranten kommt es zu einem Schusswechsel – Alis unbeteiligte Frau Sara und seine Tochter Saba sterben.

Nichts davon sieht der Zuschauer, er muss das Geschehen aus dem Gesicht der Hauptfigur ablesen. Der mag erst gar nicht an den Tod Saras glauben, dann klammert sich seine Hoffnung daran, dass zumindest die Tochter noch lebt, die zunächst nicht identifiziert wird. Es kommt anders.

Der Zuschauer sieht zwar nicht, wie Ali zusammenbricht. Aber kurz danach greift der Jäger zur Waffe und erschießt einen Polizisten. Aus dem trauernden Ehemann und Vater wird ein gesuchter Polizistenmörder.
Es verwundert, dass dieser Film durch die Zensur gegangen ist – das ist im Iran zwingende Voraussetzung, um überhaupt drehen zu können. Vermutlich hielt man den Film bei Produktionsstart (vor den Ereignissen des Sommers) für einen gewöhnlichen Krimi.

Das wäre heute anders: Am Tag der Premiere von „Shekarchi“ teilt die Berlinale mit, dass der Regisseur Jafar Panahi, 2006 Gewinner des Silbernen Bären, nicht aus dem Iran ausreisen durfte. Er hätte in Berlin an einer Diskussionsrunde teilnehmen sollen.

Pitts setzt in seinem über weite Strecken atemlosen, intensiven Film allerdings auch nur vereinzelte Nadelstiche – die die Machthaber jedoch in seiner Heimat schmerzen dürften. Jeder weiß, dass die vermeintlichen „Aufrührer“, von denen die Polizei spricht,nur Demokratie wollen. Ali (wie der Zuschauer auch) kann sich denken, dass ein Vertreter der Staatsmacht seine Frau erschossen hat. Kein Demonstrant.

Dann tauchen noch zwei Polizisten auf, von denen der eine als korrupt beschrieben wird, während der andere nur seinen Militärdienst ableistet. Doch gerade er spielt hier eine ungute Rolle. Großes Politkino und der erste echte Anwärter auf den Goldenen Bären.

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