Interview mit dem Regisseur Stefan Ruzowitzky zu „Die Fälscher“

This entry was posted on 10.02.2007

Das nachfolgende Interview mit Stefan Ruzowitzky, Regisseur von „Die Fälscher, entstand im Februar 2007 anlässlich der Weltpremiere des Films auf der Berlinale. 2008 bekam der Film den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Erschienen ist der Text (in leicht gekürzter Fassung) im Februar 2007 im Oranienburger Generalanzeiger.

Haben Sie damit gerechnet, dass der Film so gut ankommt?
Ruzowitzky:
Rechnen kann man damit nicht, man hofft drauf. Ich sehe mich als Geschichtenerzähler. Da will man natürlich, dass die gehört und gemocht werden. Da sind Kritiker wichtig, aber auch Freunde oder meine Frau. An solch einem Film scheiden sich natürlich die Geister, generell sieht es aber gut aus.

Es gab zuletzt einen Boom an Filmen, die im KZ spielen. Was muss man anders machen, um trotzdem noch ein Publikum zu finden?
Ruzowitzky:
Ich glaube, dass unser Publikum nicht mehr die Täter sind, sondern die Enkel oder gar Urenkel der Täter. Denen ein wütendes „Ich klage an“ entgegen zu schmettern, macht nicht mehr viel Sinn. Das war vor 30 oder 40 Jahren anders, als die Täter noch an der Macht waren. Denen dokumentarisches Material vorzuhalten, hat Sinn gemacht. Ich kann mein Publikum aber nicht dazu vergattern, eine Geschichtsstunde zu nehmen. Ich versuche, eine interessante Geschichte zu erzählen.

Aber es gab doch in letzter Zeit eine Vielzahl an solchen Filmen, in denen es um die „guten Deutschen“ ging.
Ruzowitzky:
Bei uns ist anders, dass der Held eine zwiespältige Figur ist, ein Ganove, den man auf dem ersten Blick nicht gern hat, den man aber im Laufe der Geschichte gern haben kann. Der typische Held ist nur eine Nebenfigur. Wir haben versucht, gegen eine positive Diskriminierung anzukämpfen – dass alle Juden weise, philosophische Menschen sind. Ich finde an meiner Geschichte interessant, dass sie Arbeiter und Handwerker waren. Deswegen habe ich mich auch bemüht, dass meine Schauspieler Dialekt reden.

Sie haben in der Pressekonferenz gesagt, dass Sie diesen Film auch als Österreicher machen wollten, weil in Österreich so viele Politiker so rechts sein. Wünschen Sie sich, dass die diesen Film sehen?
Ruzowitzky:
Es gibt in Österreich vermutlich genauso viele Rechtsradikale wie überall auf der Welt. Das Spezielle an Österreich ist, dass die Zivilgesellschaft nicht konsequent genug gegen Politik wie Haider auftritt. Politiker wie Haider gibt es überall, aber dass sie so lange an der Macht halten können, ist speziell. Dabei hat Haider Konzentrationslager als „Straflager“ bezeichnet.

Liegt Ihnen das Thema Nationalsozialismus speziell am Herzen?
Ruzowitzky:
Als Deutscher oder Österreicher hat man eine Verantwortung. Ich habe auch meine mehr oder weniger begeisterten Nazi-Großeltern. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man irgendwann eine Position beziehen.

Wie sind sie auf das Thema Geldfälscher gekommen?
Ruzowitzky:
Vor langer Zeit hat meine Großtante gesagt, dass es seit 1945 keine Moral und Anstand in der Politik gebe. Ich dachte, dass das falsch ist, habe aber nicht genug gewusst, um ihr zu widersprechen. Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, merkt man, dass das ganze System der Nazis von Grund auf korrupt und verbrecherisch ist. Der Holocaust ist kein Ausrutscher, sondern logische Konsequenz. Die haben gestohlen und betrogen, wo es ging. Vielleicht hat mich gerade die Großtante gereizt, zu diesem Thema etwas zu machen.

War Adolf Burger in den Film eingebunden? Wie findet er ihn?
Ruzowitzky:
Er hat sämtliche Drehbuchfassungen gelesen und seine Kommentare abgegeben. Er war ein sehr angenehmer Partner. Es ist seine Lebensmission, diese Geschichte zu erzählen. Er hat erkannt, was für eine Chance der Film ist, und er weiß von seinen Schulvorträgen, dass es wichtig ist, eine Geschichte spannend zu erzählen. Er war sehr tolerant, wenn wir die Geschichte ein bisschen anders erzählen. Die nackige Frau Bäumer hat er wohl nicht so gut gefunden, aber fürs Kino ist das eben wichtig. Er hat den Film gesehen und hat mir im Schneideraum eine Flasche Schnaps geschenkt, was ich als Absegnung gesehen habe.

Wie eng haben Sie sich denn an die Tatsachen gehalten?
Ruzowitzky:
Sehr eng, weil die historischen Umstände so grotesk sind – die Operettenmusik, das Tischtennis-Spiel, die Remmidemmi-Tanzabende kann man sich nicht ausdenken. Und wenn einem so etwas einfallen würde, würde man sich nicht trauen, das aufzuschreiben. Ich habe versucht, Dialoge aus dem Buch von Adolf Burger abzuschreiben. Ich habe die Geschichte dramaturgisch in Form gebracht, damit wir weniger Figuren haben.

Es gibt all diese Personen 1:1?
Ruzowitzky:
1:1 gibt es den Sorowitsch, den Burger, den jungen Mann, der erschossen wird, weil er TBC hat, es gibt den Nazi, der ihn erschießt und hinterher erzählt, wie sentimental das war, ihn zu erschießen. In den Nebenfiguren sind Züge von mehreren Personen zusammengefasst. Und es war beispielsweise so, dass das Papier nicht im Lager, sondern außerhalb hergestellt wurden.

Wie haben die das denn geschafft, so gut zu fälschen, dass die englische Bank an die Echtheit der Noten zu glauben?
Ruzowitzky:
Das Herstellen von Falschgeld, um die Währung des Gegners zu zerstören, ist eine erprobte Strategie. Ein wichtiges Detail, das ich nicht im Film habe, ist ein bestimmter Code auf den Noten, das waren zwei lange Nummern, die in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen mussten. Ein wichtiger Teil des Fälschungsprozesses war, diesen Code zu knacken. Der Rest ist ein sehr mechanischer Vorgang.

Was empfinden Sie, wenn Sie zu den Orten kommen, wo die Geschichte passiert ist, nach Sachsenhausen etwa?
Ruzowitzky:
In Sachsenhausen ist kaum mehr etwas vorhanden. Mauthausen, das man ebenfalls im Film sieht, ist weitaus beeindruckender. Das ist ein Festungsbau für die Ewigkeit, der hat eine starke negative Ausstrahlung.

Haben sich diese Empfindungen geändert, seit sie den Film gemacht haben?
Ruzowitzky:
Das würde ich nicht sagen. Ich habe viel recherchiert und gelernt. Dabei ging es mir mehr darum zu begreifen, warum Menschen diese Dinge gemacht haben. Aber das Bauchgefühl hat sich nicht geändert.

Wo würden Sie sich denn moralisch einordnen zwischen diesen Figuren, die alle sehr extreme Einstellungen haben?
Ruzowitzky:
Ich bin 100-prozentig bei Sorowitsch. Ich habe versucht, alle zu ihrem Recht kommen zu lassen, damit man nicht aus dem Film geht und denkt, die anderen hätten sich geirrt. Wenn Burger sagt, dass die Menschen prinzipienlos sind und die Nazis deswegen Erfolg haben, denkt man, dass er Recht hat. Genauso wenn Sorowitsch seine sechs Kameraden retten will. Der Sorowitsch bewundert die Idealisten für ihre Radikalität, aber er versucht, sich mit Anstand durchzuwurschteln. Ich habe festgestellt, dass es dem Publikum auch so geht.

Was empfinden Sie für den SS-Mann?
Ruzowitzky:
Ich habe Devid Striesow gesagt, dass er einen New-Economy-Manager darstellen solle, der von Freistellungen redet und damit meint, Leute in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Der SS-Mann redet davon, dass er die Menschen zurück ins Lager schicken würde, meint damit aber das Gas. Er merkt nicht, wie brutal er hinter seinem freundlichen Lächeln ist.

Warum haben Sie sich dazu entschieden, am Anfang zu erzählen, dass Sorowitsch überlebt habt?
Ruzowitzky:
Der Film beginnt mit dem ultimativen Happy-End. Da hat einer sechs Jahre im KZ überlebt, sitzt an der Cote d’Azur mit einer schönen Frau im Arm und hat eine Menge Geld. Und dann fragt er sich, womit er das verdient hat und ob er dem Bösen zu nahe gekommen ist. Davon handelt der Film.

Was ist denn aus den anderen Personen neben Adolf Burger geworden?
Ruzowitzky:
Sorowotisch ist nach Argentinien gegangen. Davor hat er eine zeitlang Pässe für Juden gefälscht, die nach Palästina wollten. Gerüchteweise hat er in Argentinien von d er Wiederentdeckung alter Meister gelebt. In den Sechzigern ist er gestorben. Der SS-Mann Herzog, der in Wirklichkeit Krüger hieß, wurde sein Leben lang nicht belangt, auch weil sich viele der Fälscher im Zuge der Entnazifizierung für ihn eingesetzt haben. Der ist 1989 als angesehener Bürger in Hamburg gestorben.

Erschienen im Februar 2007 im Oranienburger Generalanzeiger.

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